Gottesdienst 11.12.22

glauben  zweifeln  hoffen  trauern  lieben

Tiefe, starke Gefühle, hin- und hergerissen. 

Mal die einen, mal die anderen, mal miteinander, mal durcheinander. 

Wächst der Glaube, kommt der Zweifel, 

rumort der Zweifel, meldet sich die Hoffnung:

Du lebst, aber leider, nicht mehr leibhaftig hier bei mir.   

Trauern, vermissen: DU bist unendlich weit weg und doch in grenzenloser Liebe ganz dicht und lebendig im Herzen,

Tag für Tag, Stunde um Stunde. 

Manche ahnen es, viele wollen‘s und sollen’s nicht sehen und können’s nicht verstehen.  

glauben  zweifeln  hoffen  trauern  lieben

Es ist Gottes Wille, sagt der Glaube, 

Es ist Gottes Wille? fragt der Zweifel. 

Du lebst im Himmel und in uns, sagt die Hoffnung

Du fehlst uns, sagt die Trauer.

Wir lieben Dich. 

glauben 

– wir kommen zur Welt, kommen woher, kommen aus dem Himmel, dem ewigen Leben, kommen vom Seienden und Lebendigen,

kommen im Inneren beseelt und mit einem Körper, der atmet und fühlt, der strebt und sinniert, sucht und findet, der mit anderen lebt und sie wieder verlassen wird

und wir kehren wieder zurück – in den Himmel, das ewige Leben, zum Seienden und Lebendigen, in die Heimat der Seele. 

Du bist wieder dort, bist dort im Himmel, wenn ich hinaufsehe. Du dort, lehrst mich zu glauben, an das ewige Leben, dass wir, Du und ich, doch umgeben sind von guten Mächten im Himmel und auf Erden.

zweifeln 

doch alles nur Einbildung, weil man ja an irgendetwas glauben muss, um nicht von Schmerz, Panik, Leere erdrückt, zerstört und aufgelöst zu werden.

Du Gott, dessen Wille geschehe wie im Himmel und auf Erden – es war dein Wille? Was geschah, könnte dein Wille gewesen sein? Das macht alles nur noch schlimmer. 

Auf Deine Hilfe hoffen, um wieder ein wenig Halt zu finden, um herauszukommen aus dunkler Leere und unstillbarer Sehnsucht? Ich kann nicht, ich will nicht. Jetzt nicht. Bleib mir fort, oder halte aus, wenn ich auch dich schuldig spreche, schuldig schreie. Auch du sollst jetzt meine Schmerzen ertragen. Aber bist du denn da? Ich bin einsam und fühle mich verlassen.

Wird’s jemals wieder besser, leichter, freier, farbiger, fröhlicher? 

hoffen

aushalten, die klagenden Gefühle und die wirren Gedanken aushalten, das vergebliche Suchen nach Nähe und nach Antworten aushalten und ertragen, das Hin und Her zwischen Glauben und Zweifeln, 

aushalten und ertragen und ausharren, dass es doch so nicht bleiben wird, weil alles seine Zeit hat: Weinen und Klagen hat seine Zeit und Lachen und Herzen hat seine Zeit. So ist das Leben, das uns gegeben, so durchleben es Menschen immer wieder. 

Hoffen, dass wenn die fröhlichen Gefühle kommen, sie sich spürbar ausleben und breitmachen im Gemüt, in der Seele und dann immer wiederkehren und bleiben und die Schwermut verdrängen.  

Die einen hoffen noch darauf, die anderen können davon erzählen, dass Lebensfreude wieder gekommen ist. Sie können den Bedrückten Hoffnung schenken und sie hoffen lassen: Alles hat seine Zeit: Weinen und Klagen, Lachen und Herzen.     

trauern

Trauern in Liebe ist 

ein Vermissen und Danken gleichermaßen:  

Vermissen und beklagen – was Du einst zur Welt gebracht hast, was angefangen hat, was aber jetzt nicht mehr ist und nicht mehr sein wird  

und   

ein Danken für das, was miteinander erlebt wurde, was weiterwirkt und bleibt.  

Mal überwiegt das schmerzliche Gefühl: Er, sie, das Kind ist nun nicht mehr leibhaftig da, nur noch in Gedanken und Erinnerungen. 

Und mal lebt auch das wohlige Gefühl auf: Er, sie, das Kind, war da, hat gespielt und gefragt, gelacht und geweint, Kummer und vor allem Freude bereitet. 

Trauern in Liebe ist 

ein Vermissen und ein Danken – gleichermaßen:  

Vermissen und beklagen – was jetzt nicht mehr ist, nicht mehr sein wird  

  • und –  

ein Danken für das, was miteinander erlebt wurde, was weiterwirkt und bleibt.  

„Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich“.   

Auch das eigene Leben betrauern, das nun anders geworden ist, als du es dir davor erdacht hast. Vieles verändert sich, hört auf: gewohnte Beziehungen, deine Kräfte, die Lebenseinstellung, Lebensfreude und Lebenswerte. 

Aber du findest nach und nach ehrlichere Kontakte, tiefere Werte, ungeahnte Kräfte, Glauben und Hoffnung aus der Tiefe heraus. 

Trauern – vermissen und danken gleichermaßen, 

das normale, gewöhnliche Leben vermissen, und danken, für das, was im Laufe der Jahre im Leben doch gut und wertvoll geworden ist.     

lieben  

Man liebt doch immer irgendjemand, ob eine Person noch bei einem in der Nähe ist und auf dieser Welt oder ob eine Person, die schon gegangen ist und das Kind liebt man am meisten, hier und dort, in sich lebendig.   

Lieben – mit Wohlwollen und Hingabe für einen anderen Menschen da sein, seine Nähe genießen, frei und offen sich erzählen können, von dem, was einem durch den Kopf und das Gemüt geht, ob im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht ob am Grab oder beim Anblick von Bildern aus vergangenen Zeiten.

Was ist dir heilig?, hatte ich mal gefragt. Eine Person antwortete: Alles, was ich mit Ehrfurcht, Demut und Liebe betrachte. Andere antworteten: Mein Leben ist mir heilig. 

Ich liebe mein Leben. Es dauert, bis es wieder so weit ist, bis wieder Momente von Ruhe, Frieden und Güte einkehren – auch in die Zweifel und in die Trauer hinein. 

Wir glauben  zweifeln  hoffen  trauern  lieben. 

Pfr. Jürgen Stauffert